Für gute Pflege: Warum es eine starke KPÖ im Nationalrat braucht

Interview mit Robert Krotzer und Bettina Prochaska

P1085729.jpg
Robert und Bettina PFLIB I
Foto: © KPÖ Graz

Das Team der Pflege in Bewegung hat mit Bettina Prochaska und Robert Krotzer über die aktuelle Situation in Gesundheit und Pflege gesprochen.
 

Pflege in Bewegung: Gesundheit und Pflege sind drängende Themen des 21. Jahrhunderts. Wie kommt es, dass ihr euch für dieses Thema so einsetzt?

Bettina Prochaska: Seit knapp 40 Jahren arbeite ich nun schon als Diplompflegerin. In dieser Zeit habe ich viele Auf und Abs erlebt. Die letzten 20 Jahre waren allerdings von einer kontinuierlichen Verschlechterung unserer Arbeitsbedingungen geprägt. Die Pandemie hat die Probleme des Gesundheitssystems schonungslos offengelegt. Dadurch hatte es kurz den Anschein, dass die Politik umfassende Reformen umsetzen möchte. Daraus sind allerdings nur kleine Verbesserungen geworden. Es wurde klar, dass wir für unsere Interessen selbst einstehen müssen. Im Herbst 2021 gründeten wir den Arbeitskreis Pflege und Gesundheit in Salzburg. Wir wollten auf unsere Situation aufmerksam machen, haben eine Zeitschrift herausgegeben und ein Fest organisiert. Von der Pflege – für die Pflege. Gründe, um sich für bessere Bedingungen in den Pflegeberufen einzusetzen, gab und gibt es genug. Denn wir alle sind früher oder später auf Pflege angewiesen. Im Krankenhaus, im Seniorenheim oder bei der Pflege zu Hause.

Robert Krotzer: Seit 2017 darf ich in Graz als KPÖ-Stadtrat für die Themen Gesundheit und Pflege zuständig sein und wir bemühen uns in der täglichen Arbeit um konkrete Verbesserungen für Pflege-Beschäftigte, für pflegebedürftige Menschen und die Bevölkerung. In Graz gibt es etwa seit vielen Jahren das erfolgreiche Modell der Pflegedrehscheibe, wo tausende Personen jährlich Beratung und Begleitung in Pflege-Fragen durch diplomierte Pflegepersonen erhalten. Seit die KPÖ in Graz mit Elke Kahr die Bürgermeisterin stellt, konnten wir dieses Angebot um eine Gesundheitsdrehscheibe erweitern, in der ein engagiertes, multiprofessionelles Team gegen soziale und sprachliche Hürden im Gesundheitswesen wirkt. Auch konnten wir ein Tarifmodell für die Hauskrankenpflege schaffen, das pflegebedürftigen Personen, die zu Hause leben, jedenfalls die Mindestpension sichert. So muss niemand aus Armutsgründen in ein Pflegeheim gehen. Gegen den Personalmangel in der Pflege haben wir die Entlohnung für die Pflege-Beschäftigten in den städtischen Pflegeheimen deutlich angehoben und zugleich einen Pflege-Orientierungsmonat eingeführt, bei dem Interessierte in das Berufsbild der Pflege vier Wochen lang reinschnuppern können, bevor sie eine Ausbildung beginnen.
 

Pflege in Bewegung: Bald beginnt der Wahlkampf zur Nationalratswahl. Was sind die Anliegen der KPÖ und warum braucht es eurer Meinung nach die KPÖ im Parlament?

Bettina Prochaska: Unser Gesundheitssystem hatte schon vor der Pandemie massive Probleme, deshalb verlassen ja so viele Menschen die Gesundheitsberufe. Dabei benötigt es dringend strukturelle Änderungen, um auf die kommenden Herausforderungen vorbereitet zu sein und um die jetzige Situation, die viele zum Ausstieg zwingt, zu verbessern. Wir stehen vor einer gesellschaftlichen Entscheidung – wollen wir dem Dienst am Menschen mehr Respekt und Anerkennung entgegenbringen oder wollen wir Menschen und deren Bedürfnisse und Notlagen immer mehr zur Ware machen und dem Profit unterwerfen, so wie das in z. B. den USA schon der Fall ist. Die anderen reden immer nur über die Pflege, in der KPÖ reden Pflegekräfte selbst. Ich möchte, dass wir, die Beschäftigten, im Gesundheits- und Pflegebereich in der Politik mitgestalten.

Robert Krotzer: Die KPÖ behandelt die Themen Gesundheit und Pflege nicht erst seit kurzem. Dabei stellen wir die Interessen der Pflege-Beschäftigten in den Vordergrund, während andere auf die Pflege immer „vergessen“. Wo wir verankert sind, konnten wir etliche Verbesserungen umsetzen oder auch Druck von unten aufbauen. In der Steiermark etwa haben wir zusammen mit Pflegekräften und der Bevölkerung über 12.500 Unterschriften für bessere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen gesammelt. Der Druck wurde schließlich so groß, dass die Landesregierung reagieren musste, etwa mit Gehaltserhöhungen für die Beschäftigten der Spitäler oder dem Ausbau der Ausbildungsplätze für DGKP. Es kann also einen deutlichen Unterschied machen, wenn es mit der KPÖ eine politische Kraft gibt, die die Anliegen der Pflege konsequent vertritt. Eine solche Kraft braucht es dringend auch im österreichischen Nationalrat! Und mit Bettina Prochaska, die seit Jahrzehnten in Salzburg als Intensiv-Pflegerin arbeitet, hat die KPÖ eine großartige Kandidatin auf Platz 2, die hochbezahlten Berufspolitiker:innen und Minister:innen den Alltag von Pflegekräften deutlich vermitteln kann.
 

Pflege in Bewegung: Ihr habt beide an unterschiedlichen Stellen der Kranken- und Pflegeversorgung Einblicke in den Alltag, wie ist aus eurer Sicht die aktuelle Stimmung?

Bettina Prochaska: Wenn nichts verbessert wird, verlassen noch viel mehr Menschen diesen Beruf, weil sie es so nicht mehr schaffen. Viele von meinen jüngeren Kolleg:innen arbeiten nur mehr Teilzeit, weil der Arbeitsdruck und die körperlichen und seelischen Belastungen sonst nicht packbar sind. Auch ich frage mich, wie ich diese Arbeit bis zum Pensionsalter von 65 Jahren in Vollzeit machen soll. Nachtdienste sind Schwerstarbeit und gehen auf die Gesundheit. Schlafstörungen gehören zur Tagesordnung, erhöhtes Krebsrisiko und Herz-Kreislauf Erkrankungen – dies ist alles wissenschaftlich erwiesen! Viele Kolleg:innen leiden unter Bandscheibenvorfällen wegen der Belastung bei Lagerung und Mobilisierung von Patient:innen. Die derzeitigen Arbeitsbedingungen kosten uns buchstäblich Lebenszeit! Man sieht jetzt schon, dass viele gut ausgebildete Pflegefachleute nur kurz im Beruf bleiben. Oft stoßen sie in der Verwaltung auf taube Ohren, da jeder Krankenstand, jede Karenz und Sabbatical oder die Reduzierung des Stundenausmaßes von den Kolleg:innen kompensiert werden müssen. Pflegerische Tätigkeiten werden auf ein Minimum reduziert, um möglichst viele Patient:innen zu versorgen. Attraktive Arbeitsbedingungen sehen anders aus. Das müssen wir ändern!

Robert Krotzer: Viele Kolleg:innen fühlen sich ausgebrannt und von der herrschenden Politik nicht gehört und nicht gesehen. Dabei ist die Pflege wie jeder andere Gesundheitsberuf eine sehr schöne Tätigkeit, bei der man Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, helfen kann. Uns ist es wichtig, dass die Beschäftigten im Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich gesehen werden, ihre Arbeit in Worten, aber auch in der Entlohnung wertgeschätzt wird und durch solidarischen Zusammenhalt niemand vereinzelt resignieren muss. Darum braucht es dringend frischen Wind und neue Perspektiven, für die wir gemeinsam sorgen wollen. Wie unser Gesundheits- und Pflegewesen funktioniert, ist eine Frage des politischen Willens.

Bettina Prochaska: Gleichzeitig zermürbt dies die Kolleg:innen im Dienst. Wir wollen unseren Patient:innen und den zu Pflegenden die hohe Qualität bieten, die wir erlernt haben und die unser Maßstab an uns selbst sind. Das ist mit der derzeitigen Vorgabe jedoch nicht möglich. In der 24-Stunden-Betreuung zum Beispiel ist das Pflegegeld nicht ausreichend, um die pflegerischen Tätigkeiten abzugelten. Das führt unter anderem zu schlechten Arbeitsbedingungen bei selbständigen Pfleger:innen und den pflegenden Angehörigen.
 

Pflege in Bewegung: Was sind die Forderungen im Nationalrat und auch an die kommende Bundesregierung?

Bettina Prochaska: Anerkennung der Pflege als Schwerarbeit, Anhebung des Grundgehalts, einen gesetzlich verbindlichen bundesweiten Pflegeschlüssel, altersgerechte Arbeitsplätze, Anrechnung von Vordienstzeiten, Reduzierung der 40-StundenWoche, bessere Ausbildung durch mehr Ausbildungsplätze und Entlohnung in der Ausbildung (siehe Polizei) und ein besserer Nostrifikationsprozess, einheitliche Anerkennung von Diagnosen und Leistungen. Gemeinsam können wir viel erreichen, aber es ist dafür nötig, dass die Menschen erkennen, dass Gesundheit und Pflege uns alle angeht, wenn wir ein Leben und ein Altern in Würde wollen.

Robert Krotzer: Es braucht eine Trendumkehr und zwar sehr rasch. Die große Frage ist: Wie viel sind uns Gesundheit und Pflege als Gesellschaft wert? Viele Jahre führten politische Geringschätzung und neoliberaler Sparzwang zu permanenten Verschlechterungen für Patient:innen und Beschäftigte. In Graz hat sich das mit der letzten Wahl geändert: Gesundheit und Pflege sind ein Schwerpunkt der von der KPÖ geführten Stadtregierung. Für uns ist Gesundheit nämlich keine Ware, wie wir das in seinen schlimmsten Formen etwa in den USA sehen. Darum brauchen wir gemeinsame Initiativen für ein starkes öffentliches, solidarisches Gesundheitswesen. Wir freuen uns über alle, die mit uns dabei ein Stück des Weges gehen wollen.
 

Gemeinsam stärker: Werden Sie aktiv!

Sie arbeiten auch im Gesundheits- und Pflegebereich und möchten sich gemeinsam mit vielen anderen engagierten Kolleg:innen für bessere Arbeits- und Rahmenbedingungen einsetzen? Dann möchten wir Sie herzlich einladen: Schreiben Sie uns und werden Sie aktiv im Arbeitskreis Gesundheit & Pflege der KPÖ Steiermark: ZUM KONTAKTFORMULAR

Veröffentlicht: 27. August 2024