Am Beispiel der Berliner Krankenhausbewegung 2021

Ein Bericht über die Protestwelle in Deutschland in zwei Teilen. Teil 1

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Daraufhin fand vom 9. September. bis Ende Oktober 2021 der längste und heftigste Krankenhausstreik in der Geschichte Deutschlands statt. Die Kontrahenten waren die Berliner Krankenhausbewegung und die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.Di auf der Lohnabhängigenseite, die Krankenhausgesellschaften Charite und Vivantes auf der Arbeitgeberseite. Der Streik war in allen seinen Inhalten erfolgreich – Bezahlung nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes und Verbesserung der Personalsituation.

Dem Streik ging eine mehrmonatige Vorbereitungsphase voraus. Zum Aufbau der Bewegung wurden Strukturtests verwendet, die auf die US-amerikanische Organizerin Jane McAlevey zurückgehen. Diese sind gleichzeitig Mittel des Aufbaus und der Bewertung der Stärke einer Bewegung.

Mit massivem personellem Einsatz wurde die Struktur der einzelnen Beschäftigtenteams unter die Lupe genommen. Der erste Stärketest bestand im Sammeln von Unterstützungsunterschriften für die beiden zentralen Forderungen. Hauptamtliche OrganizerInnen suchten dazu die Teams der einzelnen Stationen auf und führten Einzelgespräche. Sie erbaten nicht nur eine Unterschrift, sondern gewannen die Unterzeichnenden auch dazu, sich gemeinsam mit ihrem Team auf den Weg in eine harte Auseinandersetzung zu machen und zu gewinnen.  Dabei wurden auch Teamverantwortliche gefunden, die weitere Gespräche mit KollegInnen führten, um eine stabile Mehrheit zu gewinnen.

Viele organisierten sich geschlossen gewerkschaftlich und entwickelten starke Streikteams.  

Am 12.5. 2021 wurden 8397 Unterschriften bei einer Protestaktion übergeben, 63 % der Beschäftigten hatten damit zugesagt, zu streiken. Die Übergabe wurde mit einem 100-Tage-Ultimatum verbunden. Wenn bis zum 20.8.2021 nicht ernsthaft verhandelt würde, sollte gestreikt werden.

Der zweite Stärketest führte Delegierte aus allen Teams, die bereichsspezifische Forderungen ihrer jeweiligen Station vertraten, aus ganz Berlin zusammen. Dafür wurden von Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen tausende Interviews geführt, die bis zu 90 Minuten dauerten. Inhalt der Gespräche war die Frage, wie die Beschäftigten arbeiten möchten, um ihren professionellen pflegerischen Ansprüchen gerecht zu werden und die Sicherheit der PatientInnen zu gewährleisten. Dabei konnte die fachliche Expertise der Beschäftigten genutzt werden, um Stärken und Schwächen der jeweiligen Station zu beleuchten und erforderliche Verbesserungen zu formulieren.  

Der dritte Stärketest war der Streik selbst – beginnend mit einem 3 tägigen Warnstreik vom 20. - 22.8. Die Arbeitgeber ließen Verhandlungstermine platzen und starteten Einschüchterungsversuche gegen einzelne Aktive. Eine Einigung blieb aus. In einer Urabstimmung votierten daraufhin fast 100% der Beschäftigten für einen unbefristeten Erzwingungsstreik.

Dieser begann am 9.September.

(Fortsetzung folgt)