Viele Wege führen zum Pflegeberuf

Lösung oder Sackgasse?

Kurz nach dieser Meldung in der Kleinen Zeitung folgte ein Artikel in der ZAK (Anm. Zeitung der Arbeiterkammer) mit dem Titel „Pflegelehre als Sackgasse – Ausbildung besser in der BHS“. Elisabeth Anselm Geschäftsführerin Hilfswerk meint sogar: „Das österreichische Ausbildungssystem ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems“.

Tatsache ist, dass der demographische Wandel, die bereits jetzt herrschende prekäre Personalsituation in der Pflege noch weiter verschärfen wird. Wie bereits mehrfach zitiert, werden bis zum Jahr 2030 75.000 zusätzliche Pflegestellen in der Langzeitpflege in Österreich notwendig sein, um die Pflegeleistung aufrechterhalten zu können. Problematisch wird es aber schon 2024, wenn die prognostizierten AbsolventInnen zahlen von Pflegeausbildungen den Bedarf an offenen Personalposten in der Pflege nicht mehr decken werden.

Was ist nun der richtige Weg?

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In der aktuellen Diskussion zur Reform der Pflege in Österreich besetzt die Frage nach dem Personal eine zentrale Rolle. Die Bundesregierung hat sich der Herkules Aufgabe gestellt, dem akuten Mangel an Pflegekräften mit einer Reihe von Maßnahmen entgegenzutreten. So ist eine „Erweiterung und Flexibilisierung des Ausbildungsangebots“ geplant.

Beschritten wurde dieser neue Weg bereits mit der Reform der Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes (GuKG) im Jahr 2016, in der österreichweit eine neue dreistufige Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung beschlossen wurde. Diese beinhaltet die Anhebung der Ausbildung der Gesundheits- und Krankenpflege im gehobenen Dienst vom sekundären Bildungsbereich (Gesundheits- und Krankenpflegeschulen) in den tertiären Ausbildungssektor (FH) und somit auch eine Anpassung an das geltende Berufsbild im EU-Raum. Die Ausbildungen zur Pflegeassistenz (vormals Pflegehilfe) und der neue Berufszweig der Pflegefachassistenz (PFA) wird an den Gesundheits- und Krankenpflegeschulen angeboten. Die Ausbildungsdauer zum PflegeassistentIn (PA) beträgt ein Jahr und kann dann noch durch ein weiters Ausbildungsjahr zum Abschluss PflegefachassistentIn erweitert werden. Die Umsetzung soll 2024 in allen Bundesländern abgeschlossen sein.

Das Bachelorstudium „Gesundheits- und Krankenpflege“ an den Fachhochschulen verzeichnet einen erfreulich kontinuierlichen Anstieg an BewerberInnen. In der Steiermark erfolgte der Start 2016 mit 36 Studienplätzen, dieses Angebot wurde aufgrund der erhöhten Nachfrage (300 BewerberInnen) 2020 auf 144 freie Studienplätz erweitert. 2021 werden 180 und 2022 werden 216 Studienplätze angeboten. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Allerdings hinkt die Nachfrage von BewerberInnen an den Ausbildungszentren für Pflegeberufe im Bereich der Pflegeassistenz und Pflegefachassistenz Ausbildung noch deutlich hinterher.

Welche Steine gilt es hier noch aus dem Weg zu räumen, um den richtigen Weg zu finden?

Vielleicht liegt ein Teil der Lösung in einem neuen Schulversuch. Seit dem Schuljahr 2020/21 haben Jugendliche die Möglichkeit, an einer Berufsbildenden Höheren Schule die Ausbildung zur Pflegefachassistenz zu erwerben. Junge Menschen erhalten eine fundierte allgemeine Ausbildung und schließen mit der Pflegefachassistenz und der Matura ab. In der Steiermark wird diese neue Schulform am Caritas Ausbildungszentrum für Sozialberufe in Graz angeboten und nennt sich „Höhere Lehranstalt für Sozialbetreuung und Pflege (HLSP). Es ist ein Versuch die Lücke zu schließen, die durch die derzeitige Rechtslage entsteht. So ist die Aufnahme in eine PFA – Ausbildung erst nach der 10. Schulstufe möglich, die praktische Ausbildung erst ab dem vollendeten 17. Lebensjahr zulässig. Zwischen dem Abschluss der Pflichtschule (9. Schulstufe / 15 Jahre) und dem Beginn der Ausbildung ergibt sich somit eine „Wartezeit“, in der sich interessierte Jugendliche dann doch für einen anderen Berufsweg entscheiden. Es liegt jetzt an der Politik, diese neue Schulform zu fördern und zu unterstützen, um eine gelungene Integration der AbsolventenInnen in die Pflegeversorgungslandschaft zu ermöglichen. Es bedarf aber auch einer laufenden Evaluierung und vor allem mutige Träger um für diese neue Form der Ausbildung Interesse zu wecken und passende Lehrpläne zu entwickeln.

Positive Signale gab es von der Bundesregierung auch im Bezug auf die Einführung einer Pflegelehre. Dieser Freude wird aber von vielen ExpertInnen, dem ÖGKV und auch der AK nicht geteilt. Der Beruf der Pflege stellt aus ihrer Sicht eine zu starke psychische und auch physische Belastung für Jugendliche in diesem Lebensalter dar. Zudem erlaubt es die Rechtslage nicht, theoretisches Wissen unmittelbar in der Praxis umzusetzen. Zentral für den Ausbildungserfolg steht aber gerade diese Verbindung.

Wichtiger Wegweiser ist die laufende die Evaluierung

Um die Ausbildung der PFA abzuschließen, steht am Ende der Ausbildung neben der kommissionellen theoretischen und praktischen Prüfung auch das Verfassen einer Fachbereichsarbeit. Gerade in diesem Ausbildungszweig finden viele QuereinsteigerInnen, BerufsumsteigerInnen und Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, ihren neuen Aufgabenbereich. Viele dieser AbsolventInnen werden das erste Mal damit konfrontiert, sich mit einer fachspezifischen schriftlichen Abhandlung auseinanderzusetzen und fühlen sich dabei oft restlos überfordert. Diese motivierten Menschen verlieren dann oft den Mut. Vielleicht wäre in diesem Bereich mehr Flexibilität in den Prüfungsformen ein Lösungsansatz.

Die Ausbildungen bereits bestehender Sozialbetreuungsberufe könnten eine gute Basis für weitere Kombinationsmöglichkeiten mit der Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung ermöglichen.

Aus Gesprächen mit AbsolventInnen der verschiedenen Pflegeausbildungen kann man auch sehr deutlich hören, dass es den Wunsch nach mehr Klarheit über die Aufgaben- und Kompetenzbereiche innerhalb der Berufsgruppen geben soll (wo sind die Unterschiede?). Für BerufsumsteigerInnen steht ein gesicherter Zeit- und Lohnausgleich in allen Ausbildungsvarianten ganz oben auf der Wunschliste. Praktika müssten ebenso wie bei anderen Berufsgruppen anerkannt und bezahlt werden. Diese Veränderungen müssen aber bundesweit für alle AbsolventInnen umgesetzt werden.

Fazit

Durch die Vielzahl an neuen Ausbildungsmöglichkeiten ergeben sich viele neue Blickwinkel und auch Lösungsansätze. Es lohnt sich, weiterhin sehr viel Kraft und Innovation in die vielfältigen Wege zur Pflege als Beruf zu investieren. Die Gewinnung und Bindung von Personal für die Pflege ist eine komplexe Herausforderung. Ein Ziel muss es sein, die Ausbildungswege sichtbar und transparent zu vermitteln. Die neuen Wege der Ausbildung werden aber erst mit einiger Vorlaufzeit am Arbeitsmarkt wirksam werden. Deshalb würde ich bei all diesen Möglichkeiten nicht von einer Sackgasse sprechen, im Gegenteil, manchmal erfordert es nur kleine mutige Momente des Zuhörens und Reflektierens zusammen mit den Auszubildenden, Lehrenden und Praktikern, um dem Ziel, die Ausbildung attraktiver zu gestalten, näher zu kommen und motivierte Pflegekräfte für die Zukunft zu sichern.

Veröffentlicht: 25. September 2023