Prekäre Personalsituation in der Pflege

Berechnung der Ausfallzeiten

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Um Langzeitkrankenstände, Burn Out, Jobwechsel und Co in Krankenhäusern und anderen Pflegeeinrichtungen verstehen zu können, muss die Entwicklung der letzten 10 bis 15 Jahren näher betrachtet werden. Es wurde immer weniger Personal für mehr Arbeit eingesetzt. Dies führt zu Überlastungen, vermehrten Krankenständen und infolge dessen auch zu Kündigungen bzw. einem vorzeitigen Berufsausstieg. Freie Dienstposten, zum Beispiel, wenn jemand in Pension geht, wurden nicht mehr nachbesetzt. So können zusätzlich jährlich 1,5 Prozent an Personal eingespart werden. 

Neben den genannten, den Arbeitsalltag erschwerenden Faktoren werden auch Ausfallzeiten zu niedrig berechnet. Unter Ausfallzeiten versteht man alle Zeiten, in denen Dienstnehmer und Dienstnehmerinnen im Urlaub, im Krankenstand, auf Kur und auf Fortbildungen sind, oder eine Karenz in Anspruch nehmen. Diese Zeiten werden von Unternehmen unterschiedlich berechnet. In der Privatwirtschaft berechnet man 20 Prozent.

Einer der größten Arbeitgeber im Gesundheitsbereich in der Steiermark gewährt den Mitarbeiter_innen nur 15 Prozent. Auf manchen Stationen in Österreichs Krankenhäusern wird nicht einmal dieser Prozentsatz erreicht, mit teils schwerwiegenden Folgen. Die Arbeiterkammer spricht davon, dass vor allem in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen die Ausfallzeiten mit 30 Prozent berechnet werden sollten, da durch den psychisch und physisch anstrengenden Beruf vermehrt Krankenstände und Kuren in Anspruch genommen werden müssen.

Insgesamt werden 12 Prozent der Ausfallzeit schon für den Urlaub benötigt. Kommen Krankenstände dazu, welche durchschnittlich mit vier Prozent zu berechnen sind, geht es sich, mit den berechneten 15%, nicht mehr aus. Es gibt Stationen, an denen das Pflegepersonal nicht einmal den ganzen Urlaub konsumieren kann, weil sonst die Dienste nicht abgedeckt und Patient_innen nicht versorgt werden können. Der Urlaub wird einfach gesammelt, gemeinsam mit den Überstunden. Pflegende haben kaum mehr Zeit sich zu erholen und Kraft zu tanken und somit ergeben sich vermehrt Krankenstände.

Ich, als Mitarbeiterin im Gesundheitsbereich, habe mich intensiv mit dem Thema Ausfallzeiten beschäftigt und diese für meine Kolleg_innen und mich berechnet. Dazu habe ich das Jahresstundenausmaß aller benötigten Dienste zusammengerechnet, sowie die gesamten Dienstposten inkl. Ihrem Stundenausmaß gezählt. Durch die Differenz der beiden Zahlen ergibt sich dann die Ausfallzeit. In manchen Monaten, bin ich auf nur 10 Prozent Ist-Ausfallzeit gekommen. Das ist ein Drittel des von der Arbeiterkammer empfohlenen Ausmaßes.

In der Praxis wird das Personal nur nach dem täglichen Bedarf und dem Urlaub berechnet. Es werden Krankenstände, Kuren, Pflegetage für Angehörige, Fortbildungen und sonstige Ausfallzeiten, nicht miteinberechnet. Wenn Kolleg_innen nun tatsächlich krank werden, müssen Urlaubstage verschoben und Überstunden weiterhin gehäuft werden, um die Versorgung der Patient_innen weiterhin zu gewährleisten. 

Ich lade hiermit jeden Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin dazu ein, Ausfallzeiten selbst zu berechnen und den zuständigen Personen die Wichtigkeit eines zufriedenen und nicht überarbeiteten Pflegepersonals aufzuzeigen. Nur wenn es dem Personal gut geht, kann auch gute Pflege geleistet werden.

8.8.21 Sr. Julia - langjährige Mitarbeiterin in einem großen steirischen Krankenhausunternehmen